Achtsames Selbstmitgefühl - wie deine BFF sein Willkommen, Selbstmitgefühl!
Selbstwert, Selbstliebe und Selbstakzeptanz - diese Wörter sind in meinem Instagram-Feed allgegenwärtig. Alle reden darüber, manche versprechen magische Lösungen, aber irgendwie klappt es nicht so richtig. Darf ich ein weiteres "Selbst"-Wort in die Runde werfen? Willkommen, Selbstmitgefühl!
Genau das habe ich mir für dieses Jahr (und hoffentlich darüber hinaus) ganz groß auf die Fahne geschrieben.
Was bedeutet Selbstmitgefühl?
Um zu erklären, was Selbstmitgefühl ist, fange ich am besten damit an, was Selbstmitgefühl nicht ist.
"Wie kannst du nur so dumm sein? Es war klar, dass du das nicht schaffst! In diesem Outfit siehst du einfach schrecklich aus!"
Würdest du so mit deiner besten Freundin sprechen? Natürlich nicht. Zumindest hoffe ich, dass du es nicht tun würdest. In der Regel reagieren wir verständnisvoll und freundlich, wenn es den Menschen, die uns nahe stehen, nicht gut geht. Wir behandeln sie mit Respekt und geben unser Bestes, um sie zu unterstützen, wenn sie sich schlecht fühlen. Wir trösten sie, wenn sie leiden, und ermutigen sie, wenn sie am Boden sind.
Die meisten von uns sind gut darin, verständnisvoll, freundlich und mitfühlend mit anderen zu sein. Aber nehmen wir uns selbst gegenüber eine solche Haltung ein? Wie einfach fällt es uns, mit uns selbst mitfühlend umzugehen?
Vielleicht kommen dir die oben genannten Aussagen doch bekannt vor? Weil du sie dir selbst sagst ... oder besser gesagt, denkst.
Ich kenne das nur zu gut! Ich bin zu mir selbst viel strenger, als ich es mit anderen bin. Für mich scheinen andere Maßstäbe zu gelten als für meine Mitmenschen. Meine Geduld schwindet, mein Ton wird rauher, meine Aussagen kompromissloser, wenn ich beobachte, wie ich mit meinen eigenen Herausforderungen kämpfe. Für mich selbst scheine ich nicht so viel Selbstmitgefühl zu haben wie für andere.
Die Definition von achtsamem Selbstmitgefühl
Achtsames Selbstmitgefühl bedeutet, liebevoll und fürsorglich mit uns selbst umzugehen, wenn es uns nicht gut geht. Es bedeutet, in Momenten des Leidens für uns selbst zu sorgen, so wie wir es für einen geliebten Menschen tun würden.
Damit ist keineswegs Selbstmitleid gemeint, denn beim Selbstmitleid leiden wir mit uns selbst. Wir glauben, dass wir besonders schlecht dran sind und es uns schlechter erwischt hat als andere. Dann neigen wir dazu, uns zurückzuziehen und uns von anderen Menschen zu isolieren.
Laut Kristin Neff und Christopher Germer, den Begründern des Kurses "Achtsame Selbstmitgefühl", umfasst achtsames Selbstmitgefühl drei wesentliche Aspekte:
Eine achtsame Grundhaltung
Das Gefühl der Verbundenheit mit allen Menschen
Freundlichkeit sich selbst gegenüber
Anstatt zu ignorieren, was wir fühlen, nehmen wir es wahr, erkennen es an und erforschen, wie es sich körperlich und emotional anfühlt.
Anstatt uns allein und minderwertig zu fühlen, werden wir uns bewusst, dass jeder Mensch schwierige Zeiten durchlebt und dass uns die Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens verbinden.
Anstatt uns über uns selbst zu ärgern, trösten wir uns, so wie wir es für eine gute Freundin oder einen guten Freund tun würden.
In den letzten zehn Jahren hat die Forschung zum Thema Selbstmitgefühl enorm zugenommen. Untersuchungen haben unter anderem einen positiven Zusammenhang zwischen Selbstmitgefühl und Selbstwertgefühl (Neff & Vonk, 2009), Selbstmitgefühl und Gesundheit (u.a. Terry & Leary, 2011) sowie Selbstmitgefühl und Beziehungen (u.a. Neff & Berettas, 2013) gezeigt. Es gibt also genügend Gründe, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
Wie praktiziert man achtsames Selbstmitgefühl?
Nichts leichter als das, oder? Was so einfach zu verstehen ist, stellt in der Praxis eine gewisse Herausforderung dar. Oft müssen wir zunächst unser Bewusstsein für unseren inneren Dialog schärfen, um überhaupt wahrzunehmen, was wir uns den ganzen Tag über erzählen. Schließlich ist unsere innere Dauerbeschallung zur Normalität geworden.
Manchmal ertappe ich mich dabei, wie meine Stimmung plötzlich umschlägt. Dann überlege ich, wen oder was ich dafür verantwortlich machen kann. Und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, hat es selten etwas mit meinem Partner zu tun, der den Berg an Wäsche übersieht. Meistens hat es mit der unzufriedenen Stimme in meinem Kopf zu tun, die sich vor allem gegen mich selbst richtet.
Achtsames Selbstmitgefühl lässt sich am besten anhand eines Beispiels erklären. Stell dir vor, du möchtest eine neue Gewohnheit etablieren und jeden Tag mit einer kurzen Yoga-Einheit beginnen.
Am Montag hat es gut geklappt, aber du bist spät ins Bett gegangen, sodass du am Dienstag lieber länger liegen geblieben bist. "Morgen ist ein neuer Tag", denkst du dir, aber auch am Mittwoch schaffst du es nicht, früh genug aufzustehen, und lässt das Yoga wieder ausfallen. Wie würdest du dich dabei fühlen? Und wie würdest du reagieren?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie du in dieser Situation mit dir selbst umgehen kannst.
Selbstabwertung
Eine Option ist die Selbstabwertung. Du gehst hart mit dir ins Gericht und denkst:
"Ich bin eine totale Versagerin: Sogar das kriege ich nicht hin. Bei allen anderen klappt es, nur bei mir nicht. Ich sollte es am besten gleich aufgeben."
Selbstmitleid
Oder aber du verfällst in Selbstmitleid.
"Was stimmt nur nicht mit mir? Mir geht es wirklich schlecht, wenn ich nicht mal das hinbekomme. Jetzt möchte ich mich einfach aufs Sofa legen und eine Tafel Schokolade essen, um mich zu belohnen. Immerhin hatte ich einen wirklich miesen Tag."
Selbstmitgefühl
Die dritte Option ist das Selbstmitgefühl. Du hast Verständnis und Mitgefühl mit dir.
"Aller Anfang ist schwer. Diese Woche hat es noch nicht so gut geklappt, aber das ist ja auch klar, schließlich ist das erst mal eine Umstellung. Ich mache einfach weiter und gebe mein Bestes. Nächste Woche schaffe ich bestimmt schon einen Morgen mehr als diese Woche."
Ist Selbstmitgefühl egoistisch oder selbstgefällig?
Vielleicht kommen jetzt Zweifel auf und du fragst dich, ob wir durch mehr Selbstmitgefühl nicht fauler, selbstgefälliger oder egoistischer werden.
Die freundliche Zuwendung, die wir uns selbst geben, wenn wir Selbstmitgefühl praktizieren, uns viel mehr motiviert als harte Selbstkritik.
Außerdem werden wir widerstandsfähiger und belastbarer. Dadurch entwickeln wir die Fähigkeit, auch auf nachhaltige Weise für andere da zu sein, weil wir gelernt haben, auch unsere eigenen Bedürfnisse zu erfüllen.